Zimmer 5

Vorsichtig schlich Kyro in das Zimmer, auf alles gefasst, nur nicht auf das, was er tatsächlich vorfand. Ziemlich überrascht stand er nun zwischen farbigen Tüchern einem unscheinbaren Mädchen gegenüber. Der Wolfsjunge legte die Ohren leicht an, etwas unheimliches ging von ihr aus. Misstrauisch schaute er zu dem Auge, das neben ihr oberhalb ihrer Hand schwebte. Leise räusperte er sich, bevor er sich traute einen ersten Versuch zu starten, den Umschlag zu erringen. "Öhm... du könntest mir nicht vielleicht den Umschlag geben, dann bin ich auch gleich wieder weg?", fragte Kyro vorsichtig, wobei er sich Mühe gab, freundlich und höflich zu klingen um seine unsicherheit zu überspielen.

Es dauerte nicht mehr lange und sie wusste das. Sie konnte praktisch die Sekunden zählen , bevor ihr Besucher ankommen würde. Und tatsächlich , bereits wenige Sekunden später betrat ein junger Mann ihr Zimmer und schlich offenbar leicht verunsichert zwischen den edlen Teppichen hindurch. Und genauso wie sie genau gewusst hatte , wann er hier reinkam , wusste sie auch was er hier wollte. Sari sagt....Nein. Wer wüsste schon , was er vorhatte. Genau , sie wusste es. Sie konnte die alternative Zukunft sehen und genau deshalb durfte sie ihm den Umschlag nicht geben.
Sonst könnte es ihm vermutlich noch genauso wie seinem Vater ergehen. Während sich das Mädchen nicht vom Fleck rührte , hob das Auge ab und kam Kyro etwas näher. Ohne zu blinzeln hing es einige Sekunden vor seinen Augen und glitt dann wieder zu seiner Herrin zurück.

"Sari... ob das wohl ihr Name ist? Oder der Name dieses Auges? Jedenfalls... was mit Nein gemeint ist, ist leider nicht gross misszuverstehen...", dachte sich Kyro, zwar nicht sonderlich überrascht, dass es nicht so einfach sein würde, doch aufgeben würde er noch lange nicht. Er musste sich ein wenig zusammenreissen um nicht zurück zu weichen, als das Augending auf ihn zu schwebte und dann wieder zu seiner Herrin(?) zurückkehrte. Bisher hatte der Wolfsjunge keine deutlichen Gefühlsregungen des Mädchens wahrnehmen können und so war er sich nicht sicher, woran er war. "Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du mir den Umschlag nicht geben möchtest?", fragte er dann nach.

Eine Zeit lang ließ Sari die Frage auf sieh beruhen. SIe hasste es , wenn jemand sie in ihrem Zimmer störte , vorallem wenn der Grund dafür Papierkram war. Das Auge schwebte zu ihr und schaute kurz in ihr Gesicht , sodass es aussah als ob die beiden sich wortlos beraten würden. Sari sagt...Du hast eine interessante Vergangenheit...und eine noch interessantere Zukunft... Seine Frage nach dem Warum überging sie einfach. Sie wusste , dass er die Antwort noch früh genug erfuhr. Langsam erhob sie sich , und ging mit geschlossenen Augen , fast schon Schlafwandernd durch ihr ZImmer auf Kyro zu. Sie war zwar ein wenig kürzer als er strahlte jedoch ein Selbstvertrauenl aus , dass wie eine zweite Haut auf ihrerer Umgebung lag. Sari fragt sich...warum du hier bist? Deine Anwesenheit ist eine Gefahr...

Langsam hatte Kyro seine Angst überwunden und so wurde seine Unsicherheit zu Vorsicht. Das Auge und das Mädchen schienen sich kurz auszutauschen, bevor sie dann auf den Wolfsjungen zukamen. "Ich habe eine interessante Vergangenheit? Kann sie... oder das Auge... das sehen? Ob es wohl auf Erinnerungen beruht oder sieht sie/es mein ganzes Leben?", diese Fragen gingen ihm durch den Kopf, während die Satori immer näher kam und dann eine Frage stellte. "Ich bin hier, weil ich am Hindernissparcours teilnehme und meine momentane Aufgabe darin besteht, einen Umschlag von dir zu erhalten. Ich kann aber auch wieder gehen, wenn du mich hier nicht haben möchtest, egal ob mit oder ohne Umschlag", antwortete Kyro ihr ruhig. "Ob sie mich selbst als Gefahr sieht oder nur mich, wenn ich in diesem Raum bin? Sie ist ziemlich verwirrend..."

Schon fast enttäuschend hörte Sari die Antwort des jungen Mannes. Sie hatte gehofft auf eine etwas...willensstärkere Person zu treffen , und das obwohl sie schon im vorraus gewusst hatte dass sie sich da falsche Hoffnungen machte. AUch ihr Auge schien etwas enttäuscht dreinzublicken , obwohl das selbst für sie manchmal schwer zu erkennen war.
Sari sagt...dass du dann jetzt gehen darfst. Ohne Umschlag. Ihr Stimme klang kühl und berechnend. Sie konnte zwar in die Zukunft sehen allerdings nicht alle Facetten gleichzeitig erkennen.
Ohne auf eine wirkliche Antwort abzuwarten drehte sie sich um und schritt zurück hinter ihren Tisch. Von dort aus fixierte ihr Auge den jungen Burschen , während sie ihre Augen schloss und einen etwas verklärteren , aber dennoch unfreundlichen , Gesichtsausdruck aufsetzte.

Endlich eine klar wahrnehmbare Gefühlsregung. Kyro hatte eigentlich darauf gewartet, doch Enttäuschung war etwas, dass er eher weniger erwartet hatte. Wenn er eine solche Gefahr darstellte, wieso war dieses Mädchen dann enttäuscht, wenn er vorschlug, auch ohne Umschlag zu gehen? "Ich weiss ja nicht was genau sie sonst erwartet hätte, aber jedenfalls scheint sie jetzt zu erwarten, dass ich den Raum verlasse. Wobei, wenn ihr Auge wirklich so viel sieht, wie es scheint, weiss sie bereits jetzt, dass ich mich umentschieden habe. Und da sie ohnehin viel über mich zu wissen scheint, weiss sie wohl auch, dass ich die Gefühle anderer wahrnehmen kann...", überlegte der Wolfsjunge, während er langsam ein paar Schritte auf Sari zuging. Er hatte das Gefühl, dass sie nur mit ihm spielte, anders konnte Kyro sich die Entäuschung von vorhin nicht erklären. Womöglich Enttäuschung darüber, dass er einfach nicht wirklich unterhaltsam mitgespielt hatte. Kurz vor dem Tisch, an dem Sari nun sass, blieb Kyro stehen. "Du sagtest ich darf gehen, nicht ich muss. Ausserdem warst du enttäuscht darüber, dass ich einfach so gegangen wäre. Darf ich fragen, wieso?", fragte er in Gedanken, er wollte herausfinden, ob dieses Mädchen nebst seiner Vergangenheit und vielleicht seiner Zukunft auch die Gedanken seiner Gegenwart sehen konnte.

Als sie spürte das der Junge noch immer im Zimmer war , öffnete Sari langsam ein Auge. Er stand direkt vor ihr und hatte einen leicht angespannten Gesichtsausdruck aufgesetzt , den sie schon von vielen anderen Besuchern kannte. Sie seufzte kurz , und sagte dann:Sari fragt sich...Glaubst du wirklich , ich könnte deine Gedanken lesen? ALlerdings musste man nicht Gedankenlesen können um zu wissen , dass er offenbar doch nicht gehen wollte. Vermutlich startete er jetzt seinen letzten Anlauf um an den Brief zu kommen , und langsam erinnerte er sie ein wenig an ein kleines Kind das vergeblich versucht sein Spielzeug zu bekommen unwissend , dass es keine Chance hat an selbiges ranzukommen.
Einen Moment lang überlegte sie , ob er wohlmöglich einfach nicht verstanden hat worum es hier geht , zumindest benahm er sich so und das gefiel Sari nicht. Man sollte sich nicht in Dinge mischen von denen man nichts verstand.

"Nein, ich glaube nicht, dass du Gedankenlesen kann. Ich hab es zwar vermutet, doch scheint dies nicht der Fall zu sein", antwortete er mit ruhiger Stimme. Langsam lief Kyro ein wenig durch das Zimmer und schaute sich um, nicht, weil er hoffte den Umschlag zu finden, sondern weil ihn die Innenausstattung irgendwie faszinierte. "Ich wüsste gerne, warum du enttäuscht warst, als ich vorhin ohne Widerstand gegangen wäre", sagte er, den Blick nun seitlich auf das Mädchen gerichtet, ohne die Position des Kopfes zu verändern. "Ich frage mich, wie genau der Auftrag an die 5 in den Zimmern lautet. Wenn sie einfach angewiesen wären, den Teilnehmern des Hindernislaufs die Umschläge einfach nicht zu geben, hätte die Aufgabe ja keine Sinn, ausser man müsste sich den Umschlag mit Gewalt nehmen. Man muss aber darüber verhandeln, so hiess es doch in der Aufgabe? Muss ich ihr vielleicht etwas anbieten, um an den Umschlag zu kommen?", überlegte der Wolfsjunge, während er auf die Antwort des Mädchens wartete.

Sari sagt...wir alle wüssten gerne etwas... Der Junge schien sich wieder soweit gefasst zu haben , dass er ruhig durch das Zimmer ging. Sari hasste solche Personen , die sich scheinbar keine Mühe gaben bei den Aufgaben. Vermutlich hatte er gedacht er bräuchte hier nur reinzuspazieren und würde dank seines männlichen Charmes sofort den Brief ausgehändigt bekommen. Sie hielt die Augen weiterhin geschlossen , während das Auge den Jungen weiterhin interessiert durch das Zimmer verfolgte und dabei scheinbar sogar schon an Stellen nachschaute , wo er erst wenige Sekunden später auftauchen würde.

"Sie weicht meiner Frage aus? Ich hätte eigentlich mehr erwartet...", dachte Kyro, nun seinerseits leicht enttäuscht. Er machte noch eine kurze Runde durch das Zimmer, blieb aber dann doch schlussendlich wieder vor dem Mädchen stehen. Sie hielt die Augen geschlossen, gleichzeitig schien das schwebende Auge umso mehr zu schauen. Vermutlich brauchte sie ihre eigenen Augen gar nicht wirklich. "Gibt es irgendwas, dass ich tun muss oder dir geben kann, um den Umschlag zu erhalten? Ich weiss nicht, ob meine Anwesenheit hier dich amüsiert, langweilt, nervt oder dich einfach nur völlig kalt lässt. Vorhin meintest du, ich sei hier eine Gefahr, danach warst du enttäuscht, als ich einfach zu gehen anbot. Könntest du mal Klartext reden und genau sagen, was du willst? Einen Mund hast du ja, auch wenn er weniger zum Einsatz zu kommen scheint als dein drittes Auge", versuchte Kyro es nun mit ein wenig mehr Nachdruck. Das Mädchen irritierte ihn, doch gleichzeitig blieb er innerlich völlig ruhig.

Jetzt doch leicht amüsiert öffnete Sari leicht ihr rechtes Auge. Sari fragt sich...ob du glaubst dass du mehr erreichst , wenn du lauter redest? Aber wenn dir der Umschlag wirklich so wichtig ist... Sie hielt kurz inne und sprach dann weiter , ...dann kannst du ja zuerst einmal das Chaos hier in dem Zimmer aufräumen...Dann....überlegt Sari es sich noch einmal. Mittlerweile hatte sie den komischen Kerl schon ein wenig satt. Auch wenn er noch so amüsant anzusehen war , störte er sie doch in ihrer vertrauten Zweisamkeit und das wiederum nervte sie. Der einfachste Weg war sicherlich ihm einfach den Umschlag auszuliefern , aber wenn sie das ohne eine kleine Aufgabe machen würde würde sie mächtig Ärger mit dem Direktor bekommen , etwas was sie tuhnlichsts vermeiden wollte. Hinter einem der hohen Bücherstapel auf ihrem Tisch holte sie ein kleines Glas mit Tee hervor , dass da wohl schon seit eienr Weile stand und mittlerweile vermutlich reht kühl war und nippte kurz daran.

"Ist mir gar nicht aufgefallen, dass ich lauter geredet habe? Hab doch nur 'kräftigere' Ausdrücke verwendet", dachte sich Kyro, im Geiste grinsend. Vielleicht hatte es was gebracht, denn schliesslich hatte Sari ihm nun eine Aufgabe zugeteilt. Ob sie ihm den Umschlag dann geben würde oder nicht, oder ob dann noch weitere Aufträge folgen würden, würde er ja dann sehen. Also machte sich der Wolfsjunge daran, die Unordnung im Zimmer aufzuräumen, die ihm zuvor noch gar nicht so richtig aufgefallen war. Erstmal räumte er alles, was so umherlag, in die vorhandenen Regale und Schränke, wobei er die Dinge fein säuberlich sortiert und aufgestellt hineinräumte. Was an Möbeln im Weg herumstand, schob er so hin, dass es weniger im Weg stand, und trotzdem die Gesamtausstrahlung des Raumes nicht veränderte. Zu guter letzt sammelte Kyro den wenigen Müll, der noch herumlag, auf und verstaute ihn in ermangelung eines Abfalleimers oder Papierkorbes in seine Jacken- und Hosentaschen. Er atmete einmal tief ein, und wandte sich dann wieder an das Mädchen: "Soll ich sonst noch etwas erledigen, oder vielleicht noch etwas gründlicher aufräumen?"

Sari seufzte kurz und besah sich ihr Zimmer. Zugegeben er hatte seine Arbeit recht vernünftig gemacht.
Acuh wenn sie etwas nachhelfen musste , so musste sie ihm doch zugestehen , dass er hartnäckig war und eigentlich reichte ihr das ja auch schon. AUßerdem bekam sie langsam Kopfschmerzen , was ihr überhaupt nicht gefiel , da es ihre "Fähigkeit" beeinträchtigte.
Sari sagt...du kannst jetzt gehen. Der Brief sollte in Kürze folgen...

"Vielen dank", sagte er aufrichtig und verbeugte sich kurz. Eigentlich hatte der Wolfsjunge noch weitere Forderungen erwartet, so war er nun umso erleichterter, dass das Mädchen es dabei beliess. Doch was, wenn sie ihn angelogen hätte und der Brief gar nicht 'von selbst' auftauchen würde? Dann hätte er so oder so keine Chance gehabt, die Aufgabe zu lösen, wenn es dieser Sari so zu wider sein würde, ihm den Umschlag zu geben. Mit einem letzten Blick auf das seltsame Auge wandte sich Kyro um und verliess dann das Zimmer.

Tbc: Wartezimmer